31.05.2024

IDM in Berlin: David Kratochvil auf dem Weg zum Superstar

Fast jeder beliebte Sport hat so einen Ort mit besonderem Zauber. Beim Tennis liegt dieser im Londoner Stadtteil Wimbledon, beim Golf in Augusta unweit von Atlanta (USA), und für die Formel 1 sind es die engen Gassen von Monte Carlo. Im Para Schwimmen nimmt definitiv Berlin mit seiner Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark (SSE) diese Sonderstellung ein, das zeigte sich auch am zweiten Tag der 38. Internationalen Deutschen Meisterschaften (IDM) wieder. Angetrieben von einer inspirierenden Atmosphäre lieferten die Aktiven aus insgesamt 63 Nationen am Freitag erneut reihenweise Spitzenleistungen ab, darunter gleich vier Weltrekorde. 

>> Alle IDM-Ergebnisse auf einen Blick 

Die ersten Bestzeiten purzelten dabei bereits zur Mittagszeit. Der sehbehinderte Schwimmer David Kratochvil (Startklasse 11) schwamm in 30,98 Sekunden im Vorlauf zum Weltrekord über 50m Rücken und wenig später auch zum Europarekord über 800m Freistil (9:37,83 Minuten), im Finale am Abend verbesserte er den Rücken-Rekord dann sogar nochmal auf 30,68. “Ich liebe dieses Schwimmbad, weil es hier total schnelles Wasser gibt”, sagte Kratochvil. “Und ich möchte nun in Paris eine Medaille.” 

Einen Tag zuvor hatte der 17-jährige Tscheche bereits den Weltrekord über 200m Rücken und einen Europarekord über 200m Freistil aufgestellt. “David ist zweifellos einer der kommenden Superstars des Para Schwimmens. Ich habe ihn seit Jahren im Auge, seine große Zeit beginnt jetzt aber erst richtig”, meinte IDM-Veranstaltungsleiter Matthias Ulm. 

Aber auch der Brite William Ellard sorgte für zwei Weltrekorde an einem Tag. Erst stellte der 18-Jährige in 51,28 Sekunden eine Bestmarke über 100m Freistil in der Startklasse S14 auf und verbesserte damit den Rekord seines Landsmanns Reece Dunn (51,52), der diesen 2019 ebenfalls in Berlin aufgestellt hatte. Am Abend war Ellard in 51,07 dann noch zwei Zehntel schneller. “Das ist eine gute Übung in Richtung Paris”, sagte der Weltmeister von 2023. “Dort kann ich hoffentlich ein paar Medaillen gewinnen.” 

IDM Schwimmen: Deutsche Rekorde durch Taliso Engel und Julian Füllgraf

Auf Seiten der Gastgeber gab es ebenfalls viel Grund zur Freude. Brust-Champion Taliso Engel (SG Bayer/S13) blieb über 50m Rücken in 29,98 und 29,14 Sekunden gleich zweimal unter dem 17 Jahre alten deutschen Rekord von Daniel Clausner (BV Leipzig/30,11 Sekunden). „Das ist schon krass, weil Rücken eigentlich gar nicht meine Hauptlage ist, aber bei 50 Metern kann man viel Kraft reinstecken, da braucht man nicht so viel Technik. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell wird und bin umso zufriedener“, sagte Engel. Außerdem verbesserte Nachwuchstalent Julian Füllgraf (VfL Osnabrück/S14) den deutschen Rekord über 800m Freistil auf 9:20,12 Minuten.  

In toller Form präsentierte sich zudem Naomi Maike Schwarz (SC Potsdam/ S12), die 29-Jährige unterbot über 100m Freistil in 1:02,41 Minuten bereits zum wiederholten Mal in diesem Jahr die Norm für die Paralympics. “Von ganzem Herzen”, sagte Bundestrainerin Ute Schinkitz, als sie nach dem Rennen Schwarz das symbolische Ticket nach Paris überreichte. Auf die Spiele von Tokio hatte Schwarz vor drei Jahren wegen Depression im letzten Moment verzichten müssen, 18 Wochen verbrachte sie damals in einer Klinik. Inzwischen präsentierte sie sich wieder in einer bewundernswerten Stärke. „Ich bin überglücklich. Vor einem Dreivierteljahr hätte ich nicht gedacht, heute hier zu stehen“, so die Potsdamerin. „Die Krankheit hat mir das weggenommen, was ich so liebe: den Sport und die Lebensfreude. Doch ich bin dabei, mir das Stück für Stück wiederzuholen.“ Durch den offenen Umgang mit ihrem Problem will sie zudem für das Thema Depression in der breiten Öffentlichkeit sensibilisieren, nun kann sie das auch auf der größten Bühne ihres Sports.  

>> So funktionieren Klassifizierung und Punktewertung bei der IDM 

In der IDM-Wertung, für die bei dieser inklusiven Veranstaltung eine über alle Startklassen hinweg vergleichende Punktetabelle zur Anwendung kommt, lag über 100m Freistil Tanja Scholz (PSV Neumünster) ganz vorn. In ihrer Startklasse S4 ist diese Strecke zwar nicht paralympisch, in 1:25,84 Minuten unterbot sie nun aber sogar die Norm für die Startklasse S5 und könnte in Paris theoretisch nun auch dort starten. “Es hat sich gut angefühlt, es geht vorwärts”, meinte die 39-Jährige zufrieden. Nicht so gut lief es dagegen diesmal für Justin Kaps (Berliner Schwimmteam/S10), der die angestrebte Paris-Norm leider verfehlte.  

IDM Schwimmen: Gina Böttcher mit zwei Bestzeiten

In diesem Jahr werden in Berlin zeitgleich auch Rennen der World Series ausgetragen, hier sorgte Gina Böttcher (SC Potsdam/SM4) über 150m Lagen in starken 2:59,41 Minuten für einen deutschen Erfolg am zweiten Wettkampftag. Zuvor hatte die dreimalige Europameisterin dieses Jahr bereits über 50m Rücken mit persönlicher Bestzeit (50,97 Sekunden) geglänzt. “Eigentlich war das Unterbieten der Drei-Minuten-Marke das Ziel für Paris. Schön, dass es schon hier geklappt hat”, sagte Böttcher. Trotz des erfolgreichen Saisonverlaufs will sie die Paralympics gelassen angehen. „Ich mache mir jetzt keine Hoffnungen auf eine Medaille, weil ich am Ende nicht enttäuscht werden will, so wie es in Tokio war. Deswegen mache ich so weiter, trainiere und werde schauen, was in Paris drin ist.“